So (un)bunt
wie unsere Autos

Zeig mir, welche Farbe dein Fahrzeug hat, und ich sage dir, wer du bist. Diese Conclusio wagen zumindest Psychologen.

Der Frühling naht. Farbe gibt er aber nur dem botanischen Teil der Welt, nicht dem Straßenverkehr. Die meisten Neufahrzeugkäufer in Deutschland (75,8 Prozent) wählen immer noch Schattierungen von (silber)grau, schwarz oder weiß, in exakt dieser Reihenfolge. Nur circa ein Viertel mag’s also bunt. Was sagt das über uns aus?

Null Emotion beim Ton

Glaubt man Farbpsychologen, verrät es auch bei den deutschen Autolackfavoriten viel. Das reine Weiß etwa bevorzugten bescheidene und disziplinierte Personen. Es signalisiere nicht nur Purismus und Sauberkeit (und häufige Waschstraßenbesuche), sondern auch Wohlfühlen. Im Jahr 2019 war es hierzulande fast schon doppelt so beliebt wie 2010. Wertig, zeitlos, korrekt und sicherheitsbewusst unterwegs sei jemand mit einem Blechkleid in Grautönen: mit Silber aber mehr dem Fortschritt zugewandt und mit Grau eher praxisorientiert. Ein schwarzer Lack gehe stärker in Richtung Macht, deute auf einen willensstarken und erfolgreichen Menschen am Steuer hin. Autos verleihe dieser Farbton einen repräsentativen Charakter. Es lasse sie außerdem größer erscheinen, steht deshalb auch bei Kleinwagen hoch im Kurs. Nicht zuletzt macht sich die farbliche Nüchternheit beim Wiederverkaufswert bezahlt.

Azzurro und ein bisschen Rosso

Als beliebteste „echte“ Autofarbe in Deutschland glänzt Blau (10,9 Prozent der Neuwagen 2019). Auf einen harmonischen, zufriedenen, sympathischen, ruhigen und selbstbewussten Fahrercharakter ließe es schließen. Eher weniger auf einen flotten. Rasanz fährt nämlich rot. Die Lenker seien dann unter anderem kontaktfreudig, extrovertiert und impulsiv. Und leidenschaftlich natürlich. Braun beim Auto legte seine frühere Spießigkeit ab, symbolisiert heute Natürlichkeit. Sein „Boom“ wie in den Jahren 2011 bis 2013, als mindestens sechs Prozent der Autos diesen Anstrich hatten, scheint dennoch vorbei: 2019 traten nur noch 1,3 Prozent so auf. Noch weniger hüllen sich ins bedeutungsverwandte Grün, das ergänzend rustikalen Charme, Einfachheit und Fröhlichkeit symbolisiere. Gelbe Autos steuern laut Psychologen lebenslustige, dynamische Optimisten, die Dinge entschlossen angehen. Umso mehr schade, dass diese Farbe ebenfalls nur im Ein-Prozent-Bereich dahindümpelt.

Der Lacktradition verpflichtet

Legendäre Autofarben wie das British Racing Green haben eine ganz eigene Entstehungsgeschichte, fernab von psychologischen Erklärmustern. Sie gehen zurück auf den „Gordon Bennett Cup“ der Jahre 1900 bis 1905. In dieser Rennserie matchten sich Automobilclubs verschiedener Länder. Die Teilnehmer einigten sich darauf, dass die Teams jeder Nation auch immer mit denselben Fahrzeugfarben antreten sollten: die französischen mit blauen Boliden, die belgischen mit gelben, die deutschen mit weißen, die US-amerikanischen mit roten und die englischen eben mit grünen.

Später, nach ihrem ersten Grand-Prix-Sieg 1907, okkupierten die Italiener das Rot von den Amerikanern, tauchten ihre Renner von Alfa Romeo über Ferrari bis zu Maserati ins berühmte „Rosso Corsa“. Erst in den 1930ern wurden die Silberpfeile (anstelle des Weiß) für Deutschland typisch. Detail am Rande: sowohl die Grand-Prix-Wagen von Mercedes-Benz als auch von Auto Union (später Audi) wurden damals so genannt. Die Legende besagt, das für 1934 angekündigte Gewichtslimit von 750 kg sei der Grund für den Farbwechsel gewesen: Um dieses einhalten zu können und 1 kg zu sparen, kam dem Mercedes-Benz-Team schon 1932 die Idee, den weißen Lack abzuschleifen und mit der nackten Alukarosse an den Start zu gehen.

Farbenfroh wie das Leben

Wer als Fahrzeugfan die Frage „Was für ein Auto fährst du?“ beispielsweise mit „Ein Silbernes“ beantwortet bekommt, findet darin also mehr Infos als erwartet. Es kann immerhin Hinweise auf den Charakter und die Herkunft seines Lenkers geben. Dass alles meist nur zwischen Schwarz-Grau-Weiß changiert, mag enttäuschen. Doch sehr wahrscheinlich sind wir selbst um vieles bunter als unsere Autos. Vielleicht sollten wir einfach den Mut haben, das beim nächsten Fahrzeug auch zu zeigen (sagt der Blogpost-Schreiber mit dem silbernen Kombi). Die Umgebung wird’s uns danken.

Autor

Achim Neuwirth

Senior Berater Content & PR

E-mail: achim.neuwirth@wortwerkstatt.de

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