Wenn der
Post-Bot
einmal klingelt

Sprachlose Zusteller, die einem auf Knie- anstatt auf Augenhöhe begegnen? Stellen Sie sich schon einmal darauf ein, sofern Sie in der Stadt wohnen.

Manche Paketzusteller sind demnächst vielleicht nur noch circa 70 cm groß und 18 Kilo schwer. Sie können dann 10 Kilo schultern und den Gehweg in Schrittgeschwindigkeit entlangkrabbeln, dabei bis zu 20 cm hohe Kanten überwinden. Maximal 2,5 Stunden lang halten sie das alles durch, bevor sie wieder „Saft“ wollen. Aber keine Sorge: Es geht nicht um Kinderarbeit bei der „letzten Meile“, also der logistischen Schlussetappe bis vor die Besteller-Haustür. In Städten werden dazu vielmehr kompakte, rein elektrisch und selbst fahrende Zustellroboter verkehren, „Bots“ also.

Bot rempelt nicht: Er besitzt für besten Rundumblick neun Kameraaugen, Ultraschallsensoren und 3D-Abstandserkennung, glänzt mit präzisem Navigations- und Orientierungssinn und setzt auf eine defensive Grundhaltung gepaart mit ausgezeichnetem Reaktionsvermögen. Damit zählt der Neue wohl zu den umsichtigsten Passanten der Welt.

Das gilt zumindest, wenn die Pläne der Firma Starship Technologies aufgehen. Einige ihrer Gründer hatten immerhin schon zuvor visionäres Gespür beweisen – mit dem bekannten Video-Chat-System namens Skype.

Höhenflüge am Boden

Derartige Aus- und Einblicke in die Warenbeförderungsszukunft lieferte der hochkarätig besetzte Expert Talk unseres Kunden ZF zum Thema „Letzte Meile“ in Berlin. Agenturchef Tilman Schäfer moderierte das Roundtable-Event, das noch vieles mehr an Erkenntnissen bereithielt. Zum Beispiel, dass Drohnen gerade keinen Höhenflug haben, zumindest nicht im Logistik-Einsatz. Autonome Fluggeräte wollen nämlich nicht so recht zu Masseneinsätzen passen, weil: recht komplex, sehr teuer und – relativ zum Transportvermögen – enorm energiehungrig. Vor allem aber ließe es sich kaum kontrollieren, schwebten sie haufenweise paketbeladen über den Städtern umher. Von der dann berechtigten Angst, dass einem etwas vom Himmel auf den Kopf fallen könnte, ganz zu schweigen.

Frisch aus der Robo-Box

Warum aber überhaupt die Kapazitäten der humanen Zweibein-Zusteller um jene der elektronischen Sechsräder erweitern? Auslöser dafür sind wieder einmal primär wir selbst. Der Trend gehorcht unserem Anspruch, Pakete noch am Tag der Bestellung zu erhalten (Same Day Delivery) sowie zunehmend auch beliebige, frische Lebensmittel jederzeit aus dem Web nachhause ordern zu können – von der Fair-Trade-Bio-Papaya über TK-Fischstäbchen bis hin zum „Whipped Cream Double Mokka Macchiato“. Auch will das alles ökologisch korrekt befördert sein (wenigstens innerhalb des eigenen „Biosphäre“-Horizonts).

Mahlzeit! Die Online-Order stromert der Starship-Zustellroboter jederzeit autonom bis vor die Haustür – perfekt beispielsweise für die florierende Frische-Logistik von Supermärkten, Restaurants und Cafés.

Der entsprechende Liefermarkt boomt, steigert sich jährlich im zweistelligen Prozentbereich. Seine Wachstumsgrenzen definiert keineswegs die Kundennachfrage, sondern das Leistungsvermögen konventioneller Logistik. Genau dieses erweitern, unter anderem, die künstlich intelligenten Bots auf gewünschte Weise. Und auf dem Land? Bleibt nur vorerst alles transporttechnisch wie gehabt: Ausgewachsene Transporter werden dort sogar schneller als in der Stadt autonom fahren gelernt haben.

Bald normal

Kleine selbstgesteuerte Transportcontainer, die den Gehweg mit uns teilen und über WLAN anläuten oder auch anrufen, wenn sie am Ziel sind: Befremdlich ist das, wenn überhaupt, wohl nur in unserer Fantasie. Das zumindest haben die Praxistests von Starship Technologies über insgesamt rund 25.000 Kilometer gezeigt: Die mechatronischen Lieferanten begegneten dabei etwa 2,8 Millionen Menschen, von denen rund 70 Prozent die Bots schlicht ignorierten. Die übrigen 30 Prozent reagierten bei der Begegnung überwiegend positiv – ob sie grüßten, ist nicht bekannt. Wer jetzt zum Beispiel einwendet, dieser Zusteller-Ersatz kille weitere soziale Kontakte, dem sei versichert: Die Robotik arbeitet gerade fieberhaft an Lösungen auch dafür – allen voran in Japan. Das aber ist eine neue, andere Geschichte, die uns die Humanoiden wohl bald selbst erzählen können.

Autor

Achim Neuwirth

Senior Berater Content & PR

E-mail: achim.neuwirth@wortwerkstatt.de

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